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lohnt(e) es sich? rückblick auf das filmfestival 2006
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Das Verzaubert Filmfest zum ersten Mal im größten Kölner Multiplex Kino, dem Cinedom, nachdem die Residenz-Kinos aufgegeben haben. Uns "gehörten" während des Festivals die Kinos Cinedom 10 und 11 in der obersten Etage. Hinsichtlich der Technik und dem Komfort gab's - wie zu erwarten - wenig zu meckern. Sicher ist schwules Filmfestival im Multiplex Kino unpersönlicher, weil man nicht "unter sich" ist, sondern Teil einer Kino-Maschine, in der z.B. eine Etage tiefer Bond Action dröhnt oder über Borat gelacht wird. Letztlich aber eine Frage, was man aus der großzügig dimensionierten Anlage für sich macht: Komfortabler ist das Cinedom auf jeden Fall, mit Bars / Bistros auf jeder Etage und Pizza Hut Restaurant im Parterre direkt nebenan. Einziger echter Nachteil: Die recht langen Schlangen an Wochenenden vor den Kinokassen, hier sollte man eine Viertelstunde extra einkalkulieren.


Sa 25.11.06 19:30 Cinedom 10 - Another Gay Movie - USA 2006, 92', englische Originalfassung

Der „All American Boy" Andy, die Sportskanone Jarod, der Streber Griff und die Mega-Tunte Nico haben gerade ihren College-Abschluss geschafft, sind völlig unerfahren im Intimverkehr und haben nur einen Traum: "The Big A", endlich Analverkehr!

another gay movie Der Film beginnt in einer quietschbunten 70s Style US Familien-Villa, in der Andy von seinen Eltern dabei entdeckt wird, wie er mit diversem Gemüse schon mal anal übt. Da habe ich gedacht "Au weia, das wird ne anstrengende Klamotte!" In der Tat wird kein Klischee und keine noch so geschmacklose Pointe im diesen leicht trashigen und völlig respektlosen Werk ausgelassen, dennoch hat der Film seinen Reiz: Das liegt zum einen am Spielwitz und der physischen Präsenz der recht attraktiven Akteure. Zum anderen kommen spätestens mit dem Footballspiel gegen die Bären-Mannschaft zunehmend unerwartete Szenen und gelungene Gags auf die Leinwand.
another gay movie So etwa, wenn der immer noch jungfräuliche Andy bei seinem ehemaligen College-Lehrer in der zum SM Studio umgebauten Wohnung landet und dieser mit ihm "Belgian Chocolate" spielen will. Auch ansonsten geht es zu wie im richtigen Leben: Bodybuilding Kerle klappen schon mal wegen Drogenüberlastung mitten im Tanz zusammen, Macho Daddys haben zu kleine Teile, und Einläufe stören noch Stunden danach just im umpassendsten Moment mit ekelhaften Blähungen.

another gay movie Die Moral von der Geschichte wird verraten "Real men take it up the ass!", die weitere Handlung nicht. Der Film hat als Persiflage auf unsere Porno-Sehgewohnheiten sowie diverse "Coming of Age" Rührfilmchen durchaus seine Berechtigung, und es lässt sich herzlich lachen. Hier wäre eine deutsche Synchronisation angebracht, denn auch schlichter gestrickte Schwule ohne englische Sprachkenntnisse hätten an diesem Film ihren Spaß.

Webseite: www.anothergaymovie.com (Trailer auf der Seite)

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So 26.11.06 17:15 Cinedom 11 - Solange du hier bist - Deutschland 2006, 77', deutsche Originalfassung mit englischen Untertiteln

Solange du hier bist Georg ist ein schwuler, vereinsamter Mann im Rentenalter, der die meiste Zeit des Tages in seiner kleinbürgerlich eingerichteten Wohnung zubringt. Zahlreiche Fotos finden sich dort, die auf ein gelebtes Leben voller Erinnerungen schließen lassen. Georgs Highlights in seinem sonst tristen Alltag sind die Besuche des hübschen Strichers Sebastian. Der lässt sich aber durch Georgs Gesten ehrlicher Zuneigung nicht anbinden, sondern kommt und geht, wie es ihm passt. Bis es sich eines Tages ergibt, dass Sebastian über Nacht in Georgs Wohnung bleibt...

Der alte Mann und der Stricher, eine alte Geschichte neu erzählt, und das überraschend sensibel und ohne falsches Pathos. Okay, Georg wirkt schon etwas seeehr kleinbürgerlich (die Wohnung toppt selbst das noch, was ich als Kind vor 20 Jahren bei meiner Oma gesehen habe), und er hat einen knötterigen "Charme", der es (unabhängig vom Alter) schwer macht, die Figur spontan zu mögen. Andererseits verleiht gerade die Entscheidung dafür, hier einen in die Jahre gekommenen Durchschnittsmenschen zu porträtieren, dem Film ein gewisses Maß an Glaubwürdigkeit. Etwas zu trübe und technisch nicht auf der Höhe der Möglichkeiten wirkt die Ausleuchtung (oder besser: der Verzicht darauf): Wenn hinten Licht durch's Fenster fällt, sind die Figuren vorne kaum zu erkennen. Das hat mit Authentizität nichts zu tun, ein bisschen stimmungsvoller darf's ruhig sein, zumal die Story ja durchaus optimistisch ausklingt.

Trotzdem, Regisseur und Drehbuchautor Stefan Westerwelle hat hier als sein Erstlingswerk (Abschlussarbeit der Kunsthochschule für Medien Köln) einen stimmigen kleinen Film abgeliefert. Das ist mir lieber als ein mit viel Trara in Szene gesetzter unstimmiger großer Film (womit ich gleich die Überleitung zu Amnesia habe).

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So 26.11.06 19:30 Cinedom 11 - Amnesia: The James Brighton Enigma - Kanada 2006, 90', französische / englische Originalfassung mit englischen Untertiteln

Amnesia Angeblich wurde dieser Film von einem realen Vorfall inspiriert, was angesichts des Inhalts kaum zu glauben ist: 1998 wird auf einem verlassenen Parkplatz in Montreal ein nackter Mann gefunden. Er leidet unter Gedächtnisverlust und weiß zunächst eigentlich nur eins: dass er schwul ist. Dieser bildhübsche Kaspar Hauser der Neuzeit nennt sich fortan James Brighton, taucht fotogen auf diversen „Bitte melde dich, wenn du mich kennst!" TV-Sendungen auf und wird rührend von der kanadischen Gay Community betreut. Eigentlich ist ganz Kanada schwul oder gayfriendly: Selbst der ermittelnde Polizeikommissar ist schwul, und eine Kriminologie Studentin, die den Fall wieder aufnimmt, landet - schwupps - mit einer der Zeuginnen im Bett. Dabei fällt eine neue Unsitte der queer movies auf, die anscheinend der "political correctness" geschuldete obligatorische Lesbe in Schwulenfilmen (ähnlich wie der obligatorische schwarze Freund in der ansonsten weißen Filmclique).

Amnesia In soap-ähnlichen Gefühlsausbrüchen beklagt James sich darüber, dass alle in seiner Umgebung ihre Wünsche auf ihn projizieren, er aber als Schönling ohne bewusste Identität diesen Begehrlichkeiten nichts entgegensetzen kann. Wenn dann die alte kanadische Community-Tunte verständnisvoll seinen Kopf streichelt und sagt "Du hast immer noch mich!", möchte man laut loslachen und dem Regisseur zurufen: "Hältst du uns für so blöd, dir diesen Dünnschiss abzukaufen?"

Schließlich meldet sich James' richtige Familie aus USA, natürlich aus dem hintersten texanischen homophoben US-Kaff, eine Hardcore "Ich hab dich ja sooo lieb" Mutti, ein Hardcore "Gott verzeiht dir" Bruder, der Priester ist. Hier das schwulenfreundliche Kanada, dort die schwulenfeindlichen USA - Klischee lässt grüßen. Immerhin hat der von Gedächtnisverlust gezeichnete James eine ganz nette Schwester, die ihm bei seinen Erinnerungen ein wenig auf die Sprünge hilft. So kommt dann endlich die Auflösung für das Geschehen auf dem Parkplatz in Montreal, eine vorangegangene albtraumhafte Autofahrt, eine der wenigen wirklich packenden Szenen des Films. Leider schon zu Anfang des Films in Rückblenden so stark angedeutet, dass hier keine echte Überraschung mehr rausspringt. Ein Film, der mit dem Anspruch antritt, Anspruch zu haben, über weite Strecken aber mehr unfreiwillige Komik als Tiefgang besitzt.

Webseite: www.amnesielefilm.com   Trailer (Quicktime)

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Di 28.11.06 19:30 Cinedom 10 - Quinceanera - USA 2006, 90', englische / spanische Originalfassung mit englischen Untertiteln

Quinceanera Das weiße Schwulenpaar Gary und James erwirbt ein teilvermietetes Haus im heruntergekommenen Echo-Park-Viertel von L.A. und übernimmt damit als Mieter der oberen Etagen eine mexikanische Groß-Familie. Da ist der kantig-kerlige junge Carlos, auf den Gary und James gleich ein Auge geworfen haben. So lädt James ihn auf seine typisch schwule Einweihungsparty ein und - bingo - der geile Latino lässt sich "knacken".

Quinceanera Carlos' 14jährige Schwester bereitet sich gerade auf ihre Quinceanera vor. Das ist eine traditionelle mexikanische Feier zum 15. Geburtstag, die den Übergang eines Mädchens zur Frau markiert. Als Magdalena das dafür vorgesehene Kleid bei der Anprobe viel zu eng ist, stellt sich die Frage: Hat der Schneider falsch Maß genommen, oder ist Magdalena gar mit 14 Jahren schwanger? Es bestätigt sich Letzteres, was den Vater (einen Priester) zum Explodieren bringt. Magdalenas Beteuerungen, sie habe nie Geschlechtsverkehr gehabt (sozusagen die "unbefleckte Empfängnis des 21. Jahrhunderts"), werden von ihm (und zunächst auch vom Zuschauer) als unglaubwürdige Lügen beiseite gewischt.

Bei solchen Krisen laufen die "Problem-Kinder" zum Großonkel im obersten Stock des Hauses, wo die Welt noch heil ist, die Räume mit Fotos und Erinnerungen überquellen, inmitten von all dem ein weiser alter Mann, der vor allem zuhören kann und nicht verurteilt. Hier tankt auch Carlos auf, der mit seiner Homosexualität beim Vater auf wenig Begeisterung stößt und sich zudem mit den neuen Vermietern heillos verrannt hat. Er hat eine heimliche Affäre mit Gary und ist unsterblich verliebt. Als James den Seitensprung entdeckt, hat das Konsequenzen für die ganze mexikanische Familie.

Wunderschön erzähltes mexikanisches Familiendrama in L.A. mit viel Witz, anrührenden Szenen, perfekt besetzt und gespielt, wobei mir der Schauspieler Jesus Castanos in der Rolle des Carlos natürlich am besten gefallen hat. :-)

Webseite: www.sonyclassics.com/quinceanera (Quicktime-Trailer auf der Seite)

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Di 28.11.06 21:45 Cinedom 10 - Broken Sky - Mexiko 2006, 140', spanische Originalfassung mit englischen Untertiteln

broken sky

Das Erfreulichste für den deutschen Verleih (Pro Fun Media) vorweg: Bei diesem Film ist mega-wenig zu synchronisieren (das kann an einem Nachmittag erledigt werden), denn der erfahrene Kurzfimregisseur Julián Hernández setzt auch bei diesem abendfüllenden Opus auf die Sprache der Bilder, nicht des Wortes. Die Story ist dann auch sehr schnell erzählt: Die junge leidenschaftliche Liebe von Gerardo und Jonás gerät in unruhiges Fahrwasser, als Gerardo in der Universitätsbibliothek den attraktiven Sergio (wahnsinnig sexy: Alejandro Rojo) erblickt.

broken sky Der Film punktet hinsichtlich der exzellenten Kameraführung, die mangels Dialog alles durch Bilder zeigen muss: Intimität, Augenkontakt, Verunsicherung, Annäherung, Abweisung, erneute Annäherung... Die Kamera beherrscht hier die Kunst des selektiven Sehens, z.B.: Gerardo "schwebt" auf der Tanzfläche der Disco, hinter ihm ist schemenhaft ein weiterer junger Mann zu erkennen, die Schärfeebene verlagert sich auf diesen: Wir bemerken die begehrenden Blicke von Sergio.

Die Erotik (sehr ausdrucksvolle Gesichter bei Gerardo und Sergio, sexy Körper bei allen Dreien) tut ihr übriges, um wenigstens die erste Stunde dieses wortlosen Werks kurzweilig zu halten. Eigentlich sind das perfekt inszenierte Fotografien auf Video.

broken sky Dann allerdings wird es anstrengend: Vom Moment an, wo der Zuschauer die neue Entwicklung mit kriegt, vergeht fast eine geschlagene Stunde, bis auch Jonás endlich klar wird, dass sein Gerardo einen anderen hat. In dieser Zeit immer wieder an wechselnden Schauplätzen "Ich liebe dich" Umarmungen und "Nein, ich spüre, dass etwas falsch läuft" Zurückweisungen ansehen zu müssen, ermüdet. Auch das zigmalige Umkleiden und Duschen der wirklich gut gebauten Akteure erzeugt irgendwann den nicht ganz unbegründeten Eindruck, der Regisseur sei bemüht, den langsam einschlafenden Zuschauer mit ein bisschen Boy-Erotik bei der Stange zu halten. Zudem ist die Message des Films nur schwer zu verstehen: Für mich stellt ein Wechsel zu einem neuen Freund eine interessante Weiterentwicklung dar (zumal Sergio so viel reizvoller ist als Jonas), für den Regisseur aber offenbar einen Irrweg von der "wahren" ersten Liebe.

Unterm Strich: Tolle Bilder, schöne Menschen, aber eine Kürzung um 60 Minuten und ein bisschen mehr Script hätten diesem 140 Minuten Epos gut getan.

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Mi 29.11.06 21:45 Cinedom 10 - Closing Night: Whole New Thing - Kanada 2005, 92', englische Originalfassung

Whole new thing Der 13-jährige Emerson wird von seinen Hippie-Eltern in der Isolation der kanadischen Wildnis nach bestem Wissen und Gewissen mit den Werten der Hardcore-68er erzogen. Nun droht die Einschulung in der nahen Kleinstadt, die für den naiv / neunmalklugen Emerson mit dem Charme eines langhaarigen Harry Potters ganz neue Einblicke jenseits des ökologischen Weltbilds seiner Eltern bedeutet. Anfangs eckt er natürlich bei seinen Mitschülern an, die erst mal draufhauen, wenn sie etwas nicht verstehen, aber Emersons schlagfertigen Witz haben sie wohl unterschätzt. Insbesondere den Englischunterricht bei Lehrer Don mischt der junge Emerson ganz schön auf, als er vorschlägt, die "flache" Standardlektüre "Snowboard's Snowjob" durch Shakespeare zu ersetzen, und so wagt sich diese Klasse (fast eine Revolution) an "As you like it".

Whole new thing Ähnlich mutig macht er sich an seinen homosexuellen Lehrer Don heran, dem er ein Liebesgedicht im Shakespeare-Stil schickt. Auf dessen Vorhaltung, dass eine derartige Annäherung zwischen minderjährigem Schüler und erwachsenem Lehrer absolut unmöglich sei, entgegnet Emerson gewohnt schlagfertig, hier ginge es doch nicht um Homosexualität, das seien doch bloß "Etiketten".

Sehr kurzweilige und treffsichere Geschichte, nicht nur über das Erwachsenwerden, sondern auch über das Erwachsensein und darüber, was von den ursprünglichen Idealen bei der täglichen Konfrontation mit dem Alltag übrig bleibt. Ein Film, bei dem die Charaktere stimmig sind und die Dialoge trotz der z.T. bizarren Situationen immer hundertprozentig sitzen, erfrischend von der ersten bis zur letzten Minute. Starkes Script, starke Regie (Amnon Buchbinder), starke Akteure.

Webseite: www.wholenewthing.com (Trailer auf der Seite)

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Kein Verzaubert Filmfest in 2007 :-(: Die Veranstalter legen eine Pause ein und verlegen für die Zukunft das Filmfest auf den April. Nächster Termin in Köln: 10.- 17. April 2008.

In eigener Sache: Seit 2001 beobachten wir das Verzaubert Filmfest, die dabei entstandenen Berichte zu den Festivals 2005 2004 2003 2002 2001 wurden komplett überarbeitet, sind jetzt aus einem Guss und stellen ein lohnendes schwules Filmarchiv dar.

Ganz neu seit 2007: Die queer cinema Übersichtsseite: Die wichtigsten Filme seit 2001 auf einen Blick, sortiert nach Genre, mit Bewertung, mit Link zu den Filmkritiken auf den "Verzaubert" Seiten, mit Trailer-Link und DVD-Link.

Die meisten Filmbesprechungen und die Übersichtsseite enthalten einen Amazon DVD Link zum Film: Mit jeder über einen solchen Amazon-Link gekauften DVD tust du auch was für gaykoeln, damit es hier Jahr für Jahr mit kostenloser Berichterstattung über "verzaubernde" Filme weitergehen kann.

Wenn du den gaykoeln Verzaubert Rückblick auf deiner Homepage verlinken möchtest, nimm bitte als Link diesen Shortcut http://www.gaykoeln.de/verzaubert - er führt immer automatisch zum aktuellsten Filmfestival, d.h. du brauchst diesen Link nie mehr anzupassen. Und: Danke!

andreas